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Über Sausset-les-Pins nach Marseille

  • koroschetz
  • 12. Juli 2022
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Okt. 2022

Am Samstag, den 09. Juli wollen wir uns nun auf den Weg zum Mittelmeer machen. Dazu müssen wir zunächst unseren Plotter mit den navigierten Wegpunkten füttern. Nach einem Jahr ohne Navigation haben wir nicht mehr alles präsent, wie das zu machen ist. Wir wissen, dass man Wegpunkte nur mit einem neuen Namen (Ziffer) speichern kann. Eigentlich glauben wir, alle alten Wegpunkte gelöscht zu haben, aber das ist scheinbar nicht der Fall, denn immer wieder erhalten wir die Meldung, der Wegpunkt existiert bereits. Wir verbringen einige Zeit damit und lösen das Problem dann vorübergehend unkonventionell durch Erstellen eines Wegpunktes mit Tippen auf den Plotter, um dann den so definierten Wegpunkte mit den richtigen Koordinaten zu versehen. Als das endlich geschafft ist, bringen wir unsere Schlüsselkarte zur Capitainerie und verabschieden uns aus diesem Hafen. Über den Canal Saint-Louis geht es hinaus auf den Golf de Fos. Vor den Industriezonen westlich von Marseille liegen mehrere Frachter auf Reede. Wir haben uns bei der Aufsicht Port-de Bouc wir vorgeschrieben auf Kanal 12 für die Durchfahrt durch das Seegebiet angemeldet, erhalten jedoch keine Rückmeldung. Andererseits können wir unbehelligt passieren.

Wir rufen noch mal im Hafen Corre an, unser ursprünglich zuerst favorisierter Hafen. Frank möchte gerne am Folgetag in der benachbarten Bucht mal vor Anker gehen. Aber auch heute bekommen wir bestätigt, dass der Hafen belegt ist. Unser nächster Anruf in Sausset-les-Pins ist erfolgreich und so steuern wir auf unseren ersten Mittelmeerhafen zu, ein wenig aufgeregt, wie das Anlegemanöver laufen wird, da wir das erste Mal an Mooringketten anlegen. Wir haben alles abgesprochen und die Leinen liegen bereit. Momentan können wir uns nur auf die Videos bei YouTube und Lehrbuchwissen verlassen. Wir erkennen nicht gleich, wo wir anlegen dürfen und werden dem ersten in Aussicht genommenen Platz verwiesen. Dann sind wir richtig. Wir haben Glück. Frank legt neben einem belgischen Segelboot an und der Eigner, ein über 70jähriger nimmt mir die Heckleinen ab. Ich übernehme die Hilfsleine und führe diese Hand über Hand zum Bug, und hole die Leine dicht, nachdem ich das Gefühl habe, die Kette ist stramm genug. Der Belgier nimmt sich unser an und erklärt uns, dass das so nicht ausreichend ist. Wir müssen die Kette straffer ans Boot holen und in die Kette möglichst tief eine eigene Leine hängen. Dann sollen wir die Kette wieder absenken und im Anschluss mit unserer Leine wieder bis zum Bug dicht holen und dann erst unsere Leine fest machen. Ich bin mit dem Gewicht der Kette überfordert. Frank hilft und beide wuchten wir die Kette unter Aufsicht unseres Nachbarn so stramm, bis er halbwegs zufrieden mit uns ist. Dann holen wir die Heckleinen dicht, so dass die Heckleinen auch stramm sind und unser Boot liegt fest. Geschafft. Wir bedanken uns herzlich und verabreden uns für später auf ein Glas Wein.

Wir bleiben bis Montag früh. Der Ort ist sehr sympathisch. Wir fühlen uns am Mittelmeer angekommen. Nachmittags besuchen wir den 200 Meter entfernten Strand. Kein Sandstrand, sondern kleine Steine erwarten uns. Badeschuhe haben wir nicht dabei. Aber das erweist sich nicht als Problem. Der felsige Untergrund ist mit einer dünnen Sandschicht überzogen und man muss beim ins Wasser gehen nur darauf achten, nicht von einem Felsstrück abzurutschen oder dagegen zu treten. Das Wasser ist herrlich. Der Badebereich ist betonnt und wir bleiben wie fast alle in diesem Nichtschwimmerbereich. Als wir auf dem Rückweg zum Boot sind, machen sich die Restaurants an der Uferpromenade bereit für den Abend. Wir studieren schon mal die Karten und planen, heute den Abend mit einem Restaurantbesuch zu krönen. Zurück an Bord macht neben uns ein deutsches Segelboot fest, junge Leute, die schon länger im Revier sind und das elterliche Segelboot reaktiviert haben. Wir beobachten natürlich genauestens das Anlegemanöver, um uns Tricks abzugucken. Der Eigner gibt uns gerne noch Hinweise, meint aber auch, dass jeder so seinen Weg finden muss.

Unser Abendessen ist lecker. Es gibt gegrillte Dorade. Die Stimmung in den Restaurants ist gut und es macht Spaß, in diesem quirligen Treiben dabei zu sein. Auf dem Hafenvorplatz groovt sich eine Band ein. Wir hören eine Weile der Vorband zu. Zurück an Bord genießen wir eine Flasche Wein aus der Savoire, die uns Karin und Gerard mitgebracht haben, mit unseren belgischen Nachbarn. Beide sind Sprachlehrer Englisch und Deutsch und bezeichnen sich als Europäer. Er war vor der Wende mit seinen Studenten in Westberlin und von dort auch über den Checkpoint-Charlie in den Osten gereist. Wir verbringen einen ausgesprochen interessanten Abend, an dem wir auch die aktuelle weltpolitische Lage besprechen. Die Belgier reisen am Sonntag ab, vielleicht ihre letzte Reise mit dem Segelboot? Sie sind hier seit vielen Jahren im Revier. Aber die Frau ist schwer herzkrank und die Angst fährt bei jedem Turn etwas mit. Sie weiß, dass es für Ihn das Ein und Alles ist. Wir drücken Beiden beide Daumen für viel Gesundheit und einen glücklichen gemeinsamen Lebensabend. Auch die deutschen Segler reisen am Sonntag wieder ab. Wir haben einige Tipps für schöne Häfen in unseren Karten gekennzeichnet. Der Sonntag ist nicht so turbulent, wie der Samstag in Sausset-les-Pins. Zwar hören wir den Rummelplatz mit den Rufen der Budenbesitzer und den Spaß der Kinder, aber ansonsten läuft alles ruhig ab. Die Taucher machen sich in Gruppen auf zu ihren Revieren. Aber das ist ein kurzes Ankommen und Gehen. Wir bauen unser Schlauchboot auf. Bei der Hitze eine schweißtreibende Angelegenheit. Ich kann Frank überzeugen, das Boot auch zu wassern und den Motor nebst Akku anzubringen. Es ist etwas mühselig aber es klappt. Wir drehen ein paar Runden im Hafen. Unser Gestell zur Halterung wird nun auch angebracht. Allerdings können wir die Flügelschrauben nirgends finden. Es müssen Kabelbinder herhalten. Das Schlauchboot nimmt nun seinen Platz für die Zeit im Mittelmeer ein. Auch wenn alles gut bedacht ist, ist die Heckleine backbord nicht so einfach zu bedienen. Ich leg sie mir später schon mal um das Boot herum, um nicht zu riskieren, beim Anlegemanöver baden zu gehen. Hierfür bringen wir auch noch eine Halteleine an. So sollte es klappen. Die Praxis wird es zeigen.

Ein paar Plätze weiter liegt ein französischer Segler. Er lässt es sich gut gehen und uns an seiner guten Laune teilhaben. Bei einem Smalltalk stellt sich heraus, dass er nach der Wende in Deutschland in Berlin stationiert war. Im französischen Quartier in Tegel. Dazu fiel ihm ein: Weißbier und Bratwurst. Klingt irgendwie lustig, wenn ein Franzose diese Worte mit Inbrunst spricht. Abends kommen viele Boote in den Hafen, Familien, die das Wochenende auf dem Wasser verbracht haben. Alle befreien ihre Boote sorgfältig von Salzwasser. Damit gibt es bislang kein Problem in Frankreich. In Deutschland undenkbar. Wir rufen den Vieux Port Marseille an, da wir morgen dort einlaufen wollen. Wir sollen am Montag ab 10 Uhr wieder anrufen. Nun gut. Wir navigieren schon mal nach Marseille. Der Tag geht zu Ende und es wird langsam ruhig in Sausset-les-Pins.


Montag frühstücken wir frisches Baguette und Croissons und dann geht es los. Das Ablegemanöver klappt gut. Wir lösen gemeinsam die Kette und fahren erst los, nachdem Leinen und Kette wieder auf den Meerengrund gesunken sind. Dann nutzen wir gleich noch die Tankstelle. Es ist Selbstbedienung und pro Karte kann man maximal für 150 € tanken, bei einem Preis von 2,36 € ungefähr ein Drittel dessen, was wir aktuell tanken können. Wir arbeiten daher mit 2 Karten. und tanken nur 126 Liter. Und dann geht es los. Erst während der Fahrt rufe ich in der Capitainerie Marseille an. Erst sagen sie, sie haben keinen Platz und dann besprechen sie sich, dass sie doch ab 14 Uhr einen Platz haben. Und nun? Bei gemütlicher Fahrt wären wir bereits 12:30 Uhr in Marseille. Wir schauen auf die Karte und entdecken ein Ankerzeichen vor den Iles du Frioul. Wir entscheiden mal dorthin zu fahren und uns die Sache anzuschauen. Obwohl wir die Inselgruppe lange vor Augen haben, dauert es bis nach 12 Uhr, um dort anzukommen. Einige Schiffe ankern in den Calanques ziemlich nahe an den Felsen. An einer Stelle gibt es sogar Moorings. Natürlich sind wir unsicher. Schon ziemlich nahe an den Felsen beträgt die Wassertiefe immer noch knapp 14 Meter. Und dann probieren wir es. 27 Meter Kette sind draußen und der Anker scheint zu halten. Wir beobachten die Schiffslage noch eine Weile und das Spiel im Wind und dann ist es einfach nur schön. Glasklares Wasser bis auf den Grund, Fische schwimmen vorbei, das Fort liegt vor uns, die Felsen um uns herum. Allein für diesen Moment hat sich unsere Reise schon gelohnt. Wir gehen baden, trauen uns aber in diesem unbekannten Gewässer nicht von der Badeleiter weg. Und dennoch ist es ein Traum.


Wir bleiben eine gute Stunde und machen uns dann erfrischt auf den Weg nach Marseille. Uns begleitet eine Windstärke 3 bis 4. Immer näher kommt die Stadt und wir passieren die Hafeneinfahrt. Ein absolut gigantisches Gefühl. Vor lauter Staunen verpassen wir beinahe den Richtungswechsel nach steuerbord zum Vieux Port. Frank meldet sich in etwas holprigem Englisch bei der Capitainerie. Die versteht nicht recht und dann kommt vom Hafenkapitän: "Was willst Du“. Das verleitet Frank beinahe dazu in Russisch zu antworten. Wir sollen zur Capitainerie am Beginn des Hafens kommen. Dort sehen wir keine Liegemöglichkeit. Gerade als wir uns noch mal melden wollen kommt ein Schlauchboot: „Follow me“ sagt der Bootsführer. Wir müssen wenden und höllisch aufpassen, denn von allen Seiten kommen Boote, große, kleine, Ausflugsschiffe, Segler usw. Als wir wieder auf Kurs sind rast das Schlauchboot durch den Hafen und wir müssen zusehen, dass wir dranbleiben. Wir bekommen einen Platz zugewiesen, wo wir längsseits am Steg anlegen sollen. Der Hafenmeister entschuldigt sich für den Platz, einen anderen hat er nicht. Bis dahin verstehen wir noch nicht, was an dem Platz suboptimal sein soll. Nachdem Frank von der Anmeldung, zu der er mit dem Schlauchboot mitgefahren ist, zurück ist, müssen wir noch mal umsetzen und nachdem wir gerade unseren Anleger getrunken haben, noch ein mal. Wir liegen an der Westseite des Hafens genau gegenüber dem Rathaus. Regelmäßig fährt von diesem Steg ein riesiger Katamaran mit Gästen hinaus aufs Meer. Gleichfalls ein größerer Segler. Das mach den Steg natürlich unruhig. Wir verstehen nun. Damit können wir gut leben. Mit wenigen Schritten sind wir auf der Hafenpromenade. Dort beginnen bereits die Vorbereitungen für den französischen Nationalfeiertag. Zunächst befreien auch wir unser Boot vom Salzwasser. Unsere Schlauchspritze lässt sich nicht gut einstellen, so dass die Angelegenheit zum Vollduschbad wird. Da schieben wir das Duschen außer Bords gleich hinterher. Obwohl wir für die Sanitäreinrichtungen bezahlt haben, ist der Weg nicht zumutbar. Wir müssten zuerst das Hafenbecken mit der Fähre überqueren und dann noch lange bis zur Capitainerie laufen. Kann man machen, muss man aber nicht. Abends gehen wir Muscheln essen. Inklusive Wein und einem Dessert für 45 Euro, da kann man nicht meckern. Natürlich dürfen wir den Promenadenlärm genießen und früh die Straßenreinigung sowie die weiteren Vorbereitungsarbeiten zum Nationalfeiertag. Dennoch schlafen wir ganz gut.

Dienstag nach dem Frühstück planen wir unseren weiteren Turn. Wir wollen versuchen, in der Calanque Miou zu übernachten und rufen den Hafen an. Wir sollen uns morgen melden, wenn wir kommen. Hoffentlich klappt das. Nun müssen die Vorräte aufgefrischt werden. Der Supermarkt ist ganz in der Nähe. Am Nachmittag schauen wir die Stadt an. Mit dem Bus geht es hinauf zur Notre Dame de Garde. Der Ausblick ist so fantastisch, wie ihn die Reiseführer beschreiben. Zurück fahren wir mit der Bimmelbahn, sehr witzig und touristisch.

Unser Stadtbummel endet mit einem Bierchen im Schatten. Den Rest des Tages bummeln wir an Bord. Frank navigiert unseren morgigen Kurs. Wir kochen Fisch mit Senfsauce an Bord. In der Stadt sind heute afrikanische Trommler unterwegs. Nichts, was meine Ohren verwöhnt. Der Segler hinter uns hat heute auch Leute an Bord. Mal sehen wie die Nacht wird.


 
 
 

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