Nur noch ein kleines Stück Richtung Osten
- koroschetz
- 8. Aug. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Okt. 2022
Am Mittwoch haben wir uns nur eine kleine Strecke vorgenommen. Wir wollen nach Sanary-sur-Mer. Passender Weise hatte ich zu meinem beruflichen Abschied ein Buch über das Leben und die Liebe von Künstlern vor und zu Beginn des zweiten Weltkrieges bekommen und natürlich gelesen. Florian Illies lässt uns in seinem Buch:“Liebe in Zeiten des Hasses“ eintauchen in eine Zeit mit extremen politischen und kulturellen Spannungen. Der Weg einiger Künstler auf Ihrer Flucht vor dem Nationalsozialismus führt nach Sanary-sur-Mer. Wir wollen uns in Sanary-sur-Mer einige der beschriebenen Schauplätze des Exils von Künstlern anschauen. Vorher nutzen wir den kurzen Weg, um noch mal einen Abstecher zum Badestop vor den Îles des Embiez zu machen. Bei diesem schönen Wetter nutzen viele Boote diesen Hotspot, aber wir finden einen Platz. Trotz der geschützten Lage kann der Wind etwas angreifen und auch die immer zu schnell vorbeifahrenden Boote tun ihr Übriges, damit wir nicht ganz ruhig liegen. Wir haben später auch das Gefühl, dass es uns ein Stück versetzt hat. Um anderen Booten nicht zu nahe zu kommen, korrigieren wir noch mal. Ansonsten ist der Badespaß ungetrübt und auch Fische sind im klaren Wasser zu entdecken.
Wir fahren am Nachmittag in den gemütlichen Hafen von Sanary ein. Uns erwartet ein schönes, in den letzten Jahren restauriertes Städtchen, welches auf Anhieb unsere Sympathie hat. Noch am Abend machen wir einen Bummel und können uns gar nicht satt sehen an den hübschen kleinen Gassen, den bunten Häusern, den traditionellen Fischerboten, die im Abendlicht noch an Charme gewinnen. Von allen Städten, die wir bisher gesehen haben, gefällt uns Sanary-sur-Mer bisher am besten. Am Abend ist auch hier wieder handgemachte Musik zu hören. Wieder durchstreifen die Familien mit Ihren Kindern die Gassen, sitzen im Restaurant bei gutem Essen, jeder nach seinem Geldbeutel. Die Kunstgewerbestände an der Hafenpromenade haben eine andere Qualität als in den bisherigen Hafenstädten. Die Kunsthandwerker zeigen, wie sie die Sachen herstellen und man sieht den Dingen das Außergewöhnliche und die Liebe an, mit der sie gemacht sind. Am Donnerstag früh marschieren wir los, um die Spuren von Thomas Mann und anderen Künstlern zu finden. Wir starten an der Touristinformation, an der eine Gedenktafel an die Bedeutung der emigrierten Künstler für Sanary erinnert wird sowie auf deren Schicksale hingewiesen wird. Bevor wir weiter schauen, werden wir von dem Treiben eines kleinen Marktes vereinnahmt. Als erstes ziehen uns die Fischverkäufer in ihren Bann. Leider ist es keine gute Idee in der kleinen Bordküche Fisch zu braten. Daher genießen wir das Angebot nur mit den Augen und die Nase bekommt auch etwas ab. An den Obst- und Gemüseständen versorgen wir uns dann aber mit frischen Zutaten für unsere Bordküche. Auch an Fleisch und Wurst sowie Geflügel und Kaninchen gibt es, was das Herz begehrt und frisch vom Bauern. Wir erleben, wie ein Mann an einem schon ziemlich leer gefegten Geflügelstand seine Wünsche für den kommenden Tag aufgibt. Nach dem Markt müssen wir unsere Beute erst einmal an Bord bringen und dafür sorgen, dass alles frisch bleibt. Da es Mittag ist, genießen wir gleich ein wenig Tapenade und Meeresfrüchte mit frischem Weißbrot. Und dann geht es aber los. Wir nehmen eine Tasche mit Badesachen mit, da sich ein Stück weiter als das Haus von Thomas Mann eine Badebucht befindet. Auf unserem Spaziergang finden wir anhand des Stadtplanes einige der Wohn- und Wirkungsstätten der Künstler. Zum Haus von Thomas Mann führt heute eine hübsche Promenade hinauf, an deren Hangseite bis vor die Villengrundstücke prächtige mediterrane Pflanzen blühen. Wir gehören zu den wenigen Touristen, die sich mit dem Stadtplan hier hinaufbewegen. Insgesamt haben wir mit uns vielleicht drei Paare gesehen. Die Villa La Tranquille von Thomas Mann und seiner Frau Katia wurde bereits 1944 abgerissen, jedoch nach dem Krieg in ähnlicher Form wieder aufgebaut. Ich hatte gelesen, dass die Villa dennoch viele Besucher anzieht. Aktuell ist die Villa jedoch nicht zugänglich, sie wird restauriert. Wenige Meter nach der Villa La Tranquille erweist sich die Promenade als Sackgasse. Wir können von hier oben die Badebucht sehen. Es ist eine steinige Bucht, die uns nicht ausreichend reizt, um bei der Hitze über Umwege hinabzusteigen, um später wieder über den Hügel zum Hafen zu gelangen. So steigen wir die vielen Stufen zur Hafenpromenade an einem Mehrfamilienhaus hinab und driften langsam wieder zum Boot. Kurzfristig entscheiden wir, noch mal zu den Îles des Embiez zum Baden zu fahren. Das war eine gute Entscheidung. Mittlerweile sind wir bei solchen Aktionen auch entspannter als zu Beginn unserer Reise. Abends essen wir in der Stadt und treffen endgültig die Entscheidung über unsere Weiterfahrt. Lange haben wir hin und her diskutiert. Wenn wir weiter Richtung Osten fahren, müssten wir einen größeren Schlag bis Bormes les Mimosas oder Le Lavandou machen, um dann weiter Richtung St. Tropes u.s.w vorzudringen. Wir rechnen hier weiterhin mit dem tollen Kontrast zwischen Meer und Bergen, schönen Hafenstädten und immer schöneren Stränden, was sich auch in weiter steigenden Liegegebühren niederschlagen wird. Letzteres gibt jedoch nicht den Ausschlag für die Entscheidung gegen den Osten. Westlich von Marseille erwartet uns die Camarque, Montpellier und Häfen, die voraussichtlich zunehmend einen spanischen Einschlag haben werden. Und nicht zuletzt - von hier können wir eine andere Strecke auf unserer Rückfahrt nehmen als über den Canal de Fos und Port Saint Louis sur Rhône. Ggf. entscheiden wir uns, über den Canal du Rhône à Sète zu fahren.
Und so wird navigiert. Ich bin ein wenig hin und hergerissen, hier hat bei mir Verstand über Herz gesiegt. Ich bin dabei.


























































































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